Zurück zu den Wurzeln

Wollen wir hier?“ Ja, klar, ein schöner Platz zum Hinsetzen, hier auf der Görlitzer Seite der Stadt. Altstadtbrücke und Neiße im Hintergrund, die Sonne scheint, Zeit zum Plauschen. Izabela Jucha schaut sich um und lächelt versonnen. Sie ist angekommen, angekommen in Zgorzelec, in Görlitz. Ein langer Weg liegt hinter ihr und ihrer Familie. Izabela Jucha ist eine Rückkehrerin. Mit 19 hat sie ihr Heimatland Polen verlassen, ging nach England – wie viele ihrer Landsleute. Ihr Job: Weiterbildung für Führungskräfte. Im Moment ist die 35-Jährige allerdings zu Hause. Seit sechs Wochen lebt die Familie in Zgorzelec. Izabela Jucha stammt aus Bogatynia, ihr Mann aus Zgorzelec. Er ist in der Elektronikbranche beschäftigt, beschäftigt sich unter anderem mit der Programmierung der Autoelektronik. „Derzeit baut er gerade ein Geschäft in der Region auf“, sagt Izabela Jucha. Sie selbst knüpft momentan Kontakte, um wieder in ihren Beruf einzusteigen.
 
Zwölf Jahre in England, vier Jahre in Kanada – das ist der Lebensweg der jungen Polin. „Wissen Sie, wir hatten in Kanada ein gutes Leben“, sagt sie. Beide verdienten gut, und doch hat etwas offensichtlich gefehlt. In England kam dann auch noch der Brexit dazu. Zurück zu den Wurzeln, so begründet Izabela Jucha heute die Entscheidung, an die Neiße zu kommen. „Wir haben uns im Internet informiert, welche Möglichkeiten es in der Gegend für uns gibt“, erzählt sie. Dabei stieß die Familie auch auf eine Seite der Europastadt Görlitz-Zgorzelec GmbH (EGZ). Die wirbt massiv um rückkehrwillige Polen nach dem Brexit. Inzwischen wieder. „Durch die Corona-Krise und die damit verbundenen Einschränkungen hatten wir die Kommunikation ausgesetzt“, sagt Geschäftsführerin Andrea Behr. Nun wolle die EGZ aber wieder richtig durchstarten.
 

Verunsicherung ist groß

Ziel der Kampagne sei es, die Lebensqualität, die Chancen und die besonderen Vorteile beim Leben in der deutsch-polnischen Europastadt und der ganzen Region zu zeigen und damit gezielt umzugswillige Polen in Großbritannien anzusprechen. Ist der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union tatsächlich ein Grund, den Lebensmittelpunkt wieder nach Polen, vielleicht sogar an die Neiße zu verlagern? Ja, auf jeden Fall, sagt Izabela Jucha. „Ich habe mit vielen Landsleuten gesprochen. Die Verunsicherung darüber, was nach dem Brexit passiert, ist sehr groß“, schildert sie. Entsprechend wachsen auch die Überlegungen über einen Umzug. Hier setzt die EGZ an. „Wir haben bisher hohe Reichweiten und gute Interaktionen in den sozialen Netzwerken erzielt. Daran knüpfen wir jetzt mit weiteren Maßnahmen an“, so Geschäftsführerin Andrea Behr. „Wir wissen natürlich, dass eine Entscheidung über den Wechsel des eigenen Lebensmittelpunktes nicht spontan getroffen wird. Daher hoffen wir nicht auf kurzfristige Effekte, sondern gehen das Projekt langfristig an“, sagt sie.
 
Für Izabela Jucha und ihren Mann hat bei der Wahl des neuen Wohnortes dabei nicht nur der Brexit eine Rolle gespielt. Es waren wohl auch die Jahre in Kanada, die die Entscheidung beeinflussten. „Wir wollten, dass unsere Tochter ihre Großeltern kennenlernt. Sie leben hier“, sagt Izabela Jucha. Ihre Tochter ist 14 Jahre alt und geht in Görlitz in die Schule. Sie lernt mit Begeisterung Deutsch. Izabela Jucha versucht sich ebenfalls an der Sprache. „Ein paar Sätze kann ich schon“, sagt sie. Ansonsten spricht sie fließend Englisch und natürlich Polnisch. Zudem habe dann doch auch etwas das kanadische Wetter die Entscheidung zum Umzug beeinflusst. „Wir hatten sechs Monate Winter, kamen kaum aus dem Haus. Und das mit einem Teenager“, schmunzelt Izabela Jucha.
 

Gute Möglichkeiten für neuen Job

Die Tochter jedenfalls möchte nicht mehr nach Kanada oder England zurück. „Sie ist glücklich hier“, sagt Izabela Jucha. Sie selbst war vor etwa sieben Jahren hier in Görlitz/Zgorzelec zu Besuch. „Im Vergleich zu damals ist die Stadt für mich heute eine Überraschung geworden. Sie hat sich sehr gut entwickelt“, findet Izabela Jucha. Die Polin ist optimistisch, demnächst einen Job zu finden. Die Stadt, findet sie, biete gute Möglichkeiten. Das sieht die Chefin der Europastadtgesellschaft ähnlich. „Damit der Standort langfristig wächst, brauchen wir mehr Einwohner und qualifizierte Fachkräfte – national und international“, so Andrea Behr. Izabela Jucha lebt mit ihrer Familie jetzt in Zgorzelec. Hat sie schon mal an einen Umzug nach Görlitz gedacht? Sie winkt ab. Im Moment gibt es andere Sachen zu klären. „Aber man weiß ja nie, was die Zukunft bringt“, sagt sie.

 

Quelle: Sächsische Zeitung vom 06.08.2020
Text: Matthias Klaus
Foto: Paul Glaser

 

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